Sci-Fi Das World Wide Web erlangt Bewusstsein: Robert J. Sawyers WWW-Trilogie

Marrella

Fossil
Den kanadischen Science-Fiction-Autor Robert J. Sawyer habe ich vor mehr als fünfzehn Jahren entdeckt, nachdem ich irgendwo gelesen hatte, er hätte ein Buch geschrieben, in dem ein Neandertaler geklont wird. Dabei handelte es sich um das 1997 erschienene Frameshift, ein Crossover zwischen Science Fiction und Krimi, das mir so gut gefiel, dass ich angefangen habe, alle Bücher von ihm zu sammeln, deren ich habhaft werden konnte. Obwohl ich noch nichts von ihm gelesen habe, das mir gar nicht gefallen hätte, stellt die von 2009 bis 2011 veröffentlichte WWW-Trilogie den bisherigen Höhepunkt dar, neben der Neanderthal-Parallax-Trilogie (2002 bis 2004), über die ich bereits berichtet habe.


In diesen drei Büchern, die eigentlich ein einziges Buch sind, da eine fortlaufende Geschichte erzählt wird, entsteht aus dem World Wide Web eine künstliche Intelligenz. Es beginnt damit, dass die chinesische Regierung eine Firewall um China errichtet, um einen Vorfall zu vertuschen, der das Ansehen des Landes weltweit schädigen würde.


Zur selben Zeit erhält die 16jährige Caitlin Decter, die unter einer besonderen Form angeborener Blindheit leidet, in Tokio von Professor Kuroda ein Implantat, das die fehlerhafte Kommunikation zwischen ihrem Gehirn und dem Sehnerv eines ihrer Augen korrigiert. Durch einen Softwarefehler sieht sie zunächst jedoch nicht die reale Welt, sondern den Datenstrom zu Kurodas Server, als sie eines Abends die Software aktualisiert. Obwohl dies nicht im Sinn des Erfinders ist, ist sie so fasziniert von dieser Möglichkeit, dass sie darum bittet, diesen Modus als alternativen Modus im Programm zu belassen, nachdem der Fehler, der ihr den Blick auf die reale Welt verwehrt, behoben ist. Sie bemerkt, dass sie nicht nur Links und Websites visualisiert, sondern auch einen Hintergrund im Web, der wie ein Schachbrett aussieht. Kuroda vermutet, dass es sich dabei um zelluläre Automaten handeln könnte. In den nächsten Tagen kristallisiert sich heraus, dass das Web spontan eine künstliche Intelligenz hervorgebracht hat, verursacht durch die vielen verlorenen Datenpakete, die ihre Empfänger wegen der chinesischen Firewall nicht erreichen konnten.


Natürlich lässt sich eine künstliche Intelligenz, die sich sozusagen frei im Web \"bewegt\", auf Dauer nicht geheim halten. Webmind, wie die Entität sich schließlich nennt, wird von der NSA als nationale Bedrohung eingestuft, was in diversen Versuchen mündet, \"ihn\" zu eliminieren. Auf der anderen Seite steht Caitlins Familie, Webminds erster Kontakt mit den Menschen und sein Fenster zur Welt, die dies mit allen Mitteln zu verhindern versucht.


So viel zur Handlung. Im Großen und Ganzen geht es wie so oft bei Sawyer um philosophische Fragen, vor allem darum, wie Bewusstsein und Intelligenz definiert werden können. Wann hat ein \"Wesen\" Menschenrechte? Muss es dazu ein Mensch sein? Muss es den Turing-Test bestehen?


In einem Subplot lernen wir z. B. die Primatenforscherin Shoshona Glick kennen, die mit dem Schimpansen Hobo arbeitet, der die amerikanische Zeichensprache versteht und ein paar Fähigkeiten aufweist, die ihn über den Status \"Tier\" erheben. Auch hier gibt es ein Problem: Hobo soll zurück in den Zoo, in dem er geboren wurde. Weil sein Vater ein Schimpanse, seine Mutter ein Bonobo war und er daher nicht \"reinrassig\" ist, würde dies jedoch bedeuten, dass er dort kastriert würde. Darf man ein Tier, das sich eindeutig verständigen kann, auch wenn es nicht reden kann wie ein Mensch, als Sache behandeln?


Planet der Affen lässt grüßen, könnte man sagen, und es ist auch kein Zufall, da der Autor ein Fan der Filme ist. Es ist auch kein Zufall, dass die Figuren in Sawyers Büchern sich gern Star Trek-Filme anschauen. Wem diese Art von \"Augenzwinkern\" in Richtung Fandom (wovon auch immer) nicht gefällt, der gehört vielleicht einfach nicht zur Zielgruppe dieser Bücher. Ich gestehe, dass es mir beim Lesen jedes Mal ein Lächeln entlockt.


Und falls jemand mal eine Umfrage starten sollte, welche Paare in Romanen am ungewöhnlichsten und interessantesten sind, stünden Mary Vaughn und Ponter Boddit aus der Neanderthal Parallax-Trilogie und Caitlin Decter und Webmind aus der WWW-Trilogie ganz oben auf meiner Liste.





 
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