Nun habe ich mir einen Tolino Vision gekauft. Zunächst ein paar Vorbemerkungen: Längere Zeit durfte ich den Tolino Shine kostenlos „testen“. Den kann man sich in unserer Stadtbibliothek ausleihen wie ein Buch und nutzt ihn durch geschickte Verlängerung drei Monate. Seitdem kommt für mich ohnehin nur ein eBook Reader mit Onleihe-Zugriff in Frage. Darum kein Kindle. Bei einem Kobo wäre eine zusätzliche Registrieung erforderlich. Darum kein Kobo. So wird die Auswahl relativ klein, wenn man einen kompakten, technisch auf dem Neuesten stehenden eBook Reader sucht, der ohne viel Firlefanz daherkommt.
Nachdem ich mich drei Tage mit dem Tolino Vision beschäftigt habe, fühle ich Zwiespalt ob seiner Anschaffung. Das Auspacken aber war ein Genuss. Wenig drumherum und dennoch stilvoll verpackt. Dass ein ausgedrucktes Handbuch dabeiliegt, ist heutzutage wohl nicht mehr zu erwarten.
Die Inbetriebnahme war sehr einfach und gewohnt intuitiv zu meistern wie man es vom Tolino Shine auch kennt. Viel epochal Neues findet sich ohnehin nicht. Was auffiel, war ein deutlich schnelleres Arbeiten und Reagieren des Tolino Vision gegenüber seinem Vorgänger. Außerdem liegt der Vision ausgesprochen gut in der Hand, wirkt bedeutend edler, schicker und moderner. Etwas weniger verwindungssteifer ist er, aber das scheint der flacheren Bauform geschuldet und ist nur mit gezielter Kraftanwendung feststellbar. Beim Lesen selbst vermittelt sich ein stärkerer Papiereindruck, weil die Schrift geschlossener an der Oberfläche liegt und kein Rand mehr für ein tiefer abgesetztes Display sorgt. Über Vor- oder Nachteile des nunmehr frei zugänglichen USB-Ports sowie des Kartenslots lässt sich wacker streiten. Ich persönlich halte das für eine Verbesserung, weil ich eBooks fast nur per Laptop auf den Reader lade und so nicht jedesmal die Klappe herausfummeln muss. Alles in Allem macht der Tolino Vision auf den ersten Blick einen guten Eindruck als gelungene Weiterentwicklung.
Zweifel regen sich in der Praxis beim angeblich verbesserten Display, beim Ein- und Ausschalter als Taster sowie beim kapazitiven Homebutton. Mir ist es nun schon ein paarmal passiert, dass ich den Tolino aus der Hülle oder aus einer Tasche zog und er war eingeschaltet, weil irgendwann irgendwas auf den Ein- und Ausschalter gedrückt hat. Jeder kann sich ausmalen, was passiert, wenn jetzt auch nur leichter Druck auf dem Display liegt. Obendrein muss man penibel darauf achten, nicht den Homebutton versehentlich zu berühren. Klar kann man sofort wieder in das aktuelle eBook zurückswitchen, doch nervig ist das allemal. Ich vermute, diese „Neuerungen“ werden in Zukunft noch reichlich Diskussionen hervorrufen.
Am heftigsten schlagen jedoch die Tücken des Displays ins Kontor, wenn man es mit dem des Tolino Shine oder anderer eBook Reader vergleicht und berücksichtigt, welch tollen Fortschritt es bringen soll. Das Ghosting stellt ein gravierendes Problem dar. Teilweise liegen Geisterbilder bis zur nächsten Bildschirmauffrischung mehr als deutlich und unangenehm störend unter dem Schriftbild. Und da wo vorher vielleicht eine Grafik war, sind auf der nächsten Seite die Buchstaben entweder flauer oder kontrastreicher (?); vorhersagen lässt sich das nicht. Auch bringt ein verbessertes Darstellungstdetail de facto eine Verschlechterung. Die Zeichnung der Lettern nämlich ist zwar tatsächlich filigraner, doch lässt dies das Schriftbild insgesamt kontrastärmer wirken. Und wieso der gelblich-wärmere Grundton des Displays nun angenehmer sein soll, erschließt sich mir nicht. Er wirkt dunkler! Vor allem bei eingeschalteter Beleuchtung denkt man, einen Prototyp vor der Einführung der Displaybeleuchtung in der Hand zu halten. An der Unterkante zieht sich ein zentimeterbreiter, heller Verlauf ins Display, die LED-Flares sind deutlich zu sehen und rechts wie oben trüben Schatten das Bild. Gleichmäßig sieht anders aus.
Fazit: Insgesamt halten sich Freude und Frust die Waage. Für den Ein- und Ausschalter werd ich mir was einfallen lassen oder ein spezielles Cover löst das Problem; mit dem kapazitiven Homebutton werd ich umzugehen lernen. Wirklich noch überlegen muss ich mir, ob ich mit den Mängeln des Displays leben kann, die jetzt auch nicht leseentscheidend sind, aber letztlich den gezahlten Preis nicht rechtfertigen.