Die großen Foren im In- und Ausland glühen ja geradezu im Moment. Ich habe es bisher noch nicht erlebt, dass die Neuveröffentlichung eines Readers die potentiellen Käufer dermassen polarisiert. Auf mobileread finden ja schon fast verbale Schlachten statt, die sich teils enorm albern lesen.
Da wurden Wünsche wie z.B. ein größeres Display nicht erfüllt, keine neue eInk-Technik entwickelt und teuer ist es auch noch ... Die Enttäuschung ist da schon nachvollziehbar, aber realistisch betrachtet sind in den Foren vor allem die Fans/Nerds zu finden, und ob deren Ansprüche sich gleich auf den gesamten Markt übertragen lassen, glaube ich nicht unbedingt. Nehmen wir das Display. Ein großes Display wird in den Foren oft gefordert. Trotzdem bleibt der Markt für große Displays trotz Kobos H2O ein Nischenmarkt und der wird von Amazon nunmal nicht bedient. Das nächste große Ding nach eInk ist noch nicht da. Um trotzdem jedes Jahr den Readermarkt wieder anzukurbeln, braucht es ein Merkmal, mit dem man den Kunden zum Neukauf bewegen kann. Man erfindet dann z.B. Wasserdichtigkeit (u.a. Kobo) als wichtige neue Eigenschaft, oder das Umblättern durch Tippen auf die Gehäuserückseite (Tolino), Tasten auf der Rückseite (Pocketbook) oder man ändert Designs auffällig (Pocketbook Ultra).
Amazon hat jetzt auf das Gewicht und ein anderes Design gesetzt. Ist doch gut. Wieder etwas mehr Auswahl. Und eigentlich sind doch auch ein paar Wünsche umgesetzt worden. Wurde nicht immer wieder über das immer gleiche Gehäusekonzept gemeckert? Der Kobo Glo HD wurde sogar als langweilig bezeichnet. Der Pocketbook 360 wurde als positives Designbeispiel gelobt, jetzt setzt Amazon so etwas um ... und es wird geweint. Dann wurde viel über die Sensortasten des Voyage gemeckert. Da man diese im Dunkeln nicht tasten kann, wünschte man sich "echte" Tasten zurück. Jetzt hat Amazon diese Tasten eingebaut uind - oh, Wunder! - bekommt Schelte, weil das ja ein Rückschritt sei. Das sind Momente, in denen ich in meinen Schreibtisch beissen könnte. Man kann es nicht jedem recht machen. Was man aber machen kann, ist, unterschiedliche Produkte auf den Markt zu werfen, so dass für jeden etwas dabei sein kann.
Ich war bei der Produktvorstellung ehrlich gesagt total enttäuscht, als ich den Preis gehört habe. Den konnte ich mir auch nicht damit schönreden, dass es ja das Akkucover dazu gibt. Für 290,- Euro fehlte mir die offensichtliche Innovation beim Oasis, auch mag ich die Vorstellung eines Zwangscovers nicht. In diesem Thread geht es Einigen ja ähnlich: zu teuer, zu wenig Neues fürs Geld. Ich kann die erste Enttäuschung völlig nachvollziehen. Blöd, dass ich mich jetzt so viel mit dem Gerät auseinander gesetzt habe, dass ich schon fast am Haken hänge 😉
Ganz subjektiv:
Der Oasis hat fühlbare Blättertasten. Nachdem ich mir damals sogar einen Kindle Touch aus den USA besorgt hatte, weil ich vom berührungsempfindlichen Display so überzeugt war, wünschte ich mir dennoch ganz schnell wieder "echte" Blättertasten zurück. Ich lese angenehmer, wenn ich den Finger zum Blättern nicht extra bewegen muss (wie habe ich es damals bei den Papierbüchern nur geschafft, diese zu halten und die Seiten umzuschlagen 😉 ).
131 g sind enorm leicht. Wie für Chalid ist auch für mich das Gewicht sehr wichtig. Ich lese sehr viel und sehr lange. Ich wollte daher herausfinden, wie sich der Oasis mit diesem Gewicht wohl anfühlt und konnte das durch Zufall in Grenzen nachstellen. Vor einiger Zeit habe ich mir ein Apple Trackpad gekauft. Wenn man bei dem Trackpad die Batterien und auch den Verschluss abnimmt, wiegt das Ding genau 131 g. Faßt man es an der Batterieseite an, bekommt man ein gutes Gefühl dafür, wie sich so ein Oasis anfühlen könnte. Das Gewicht ist ein absoluter Traum, ebenso die Ergonomik mit dem Schwerpunkt in der Hand. Wenn das beim Oasis ähnlich ist, dann wäre das mein angenehmster Reader.
Den Voyage habe ich wegen des Farbverlaufs mehrfach getauscht und habe es schließlich aufgegeben. Beim Oasis erwarte ich den Farbverlauf nicht, weil das Gerät für Links- und Rechtshänder konzipiert wurde. Wenn wir uns erinnern, war der Farbverlauf besonders gut sichtbar, wenn man aus einem Screenshot einen Streifen über die gesamte Länge des Displays herausgeschnitten und um 180 ° gedreht wieder eingefügt hat. Da die Kunden inzwischen wegen des Farbverlauf beim Voyage sensibilisiert sein dürften, wäre der Aufschrei beim noch viel teureren Oasis sicher noch größer. Beim Drehen in die andere Hand wäre ein Farbverlauf vielleicht sichtbar gewesen, würde die Beleuchtung nur von unten oder oben kommen. Mit den seitlichen LEDs ist vielleicht eine homogenere Ausleuchtung ohne Verlauf möglich. Aber wie Krimimimi schon sagte, hat Amazon in der Vergangenheit schon bei vielen Geräten Beleuchtungsprobleme gehabt, daher bin ich gespannt, wie sich das Gerät letztendlich in Chalids Test schlagen wird.
Das Zwangscover mag ich nicht besonders. Die Technik dahinter schon. Die Magnethalterung im Cover funktioniert ähnlich wie bei einem iPad Pro, sie verbindet und hält mit Magneten und ermöglicht eine Stromversorgung. Beim iPad Pro kann man z.B. eine Tastatur über die Kontakte mit dem Gerät verbinden, gleichzeitig wird die Tastatur mit Strom versorgt. Da auch Drittanbieter diesen Anschluss nutzen können, gibt es auch Tastaturen anderer Hersteller. Grundsätzlich sollte das auch bei dem Oasis möglich sein, wenn Amazon die Spezifikationen freigibt. Damit wäre man nicht mehr auf das Amazoncover beschränkt, müsste es dann aber trotzdem beim Kauf mitbezahlen.
Die geringe Betriebszeit von 5-7 Stunden stört mich nicht so sehr. Lege ich einen Reader weg, landet er bei mir wieder in der Hülle. Der Oasis würde dann wieder in das Cover zurückgelegt und könnte sich aufladen. 10 Minuten in der Hülle sollen ausreichen, um wieder eine Stunde zu lesen. Das halte ich für glaubwürdig. Mein Pencil ist am iPad Pro auch nach wenigen Sekunden Ladung bereits wieder für eine halbe Stunde nutzbar. Das ist zwar ein ganz anderes Gerät, aber das Prinzip ist ähnlich.
Ob das Ganze jetzt 290,- Euro wert ist? Ich finde den Preis überzogen, auch wenn Technik, Akkuhülle etc. den Preis vielleicht rechtfertigen können. Aber wenn das Leseerlebnis so ist, wie ich es mir vorstellen kann, werde ich als lesebegeisterter Nerd vielleicht doch noch schwach.
Sorry für den jetzt doch unerwartet lang ausgefallenen Post.